Plastik überall

Plastik verrottet kaum – ein großer Vorteil! Aber auch Nachteil, wie sich in den letzten Jahren immer mehr zeigt. Denn Plastik wird nicht mehr nur zur Herstellung langlebiger Produkte eingesetzt, sondern zunehmend für Einwegverpackungen. Umso wichtiger ist es, den Stoff nach der Benutzung wieder zu verwerten. Leider ist dies selten der Fall. Plastikverpackungen werden unzureichend recycelt oder als „Rohstoff“ in andere Länder verschifft. Darüber ist in den vergangenen Monaten schon viel geschrieben worden, und es wird immer deutlicher, dass Plastikmüll ein Thema ist, das jeden von uns betrifft.

Bequemlichkeit siegt

Im Rahmen eines Seminars „Zero Waste City Tübingen?“ an der Tübinger Universität haben wir auf der Straße dazu ein paar Leute befragt. Überraschenderweise wussten viele Passanten über die Müllproblematik gut Bescheid. Doch nach einiger Zeit kristallisierte sich heraus: Bequemlichkeit scheint der limitierende Faktor zu sein. Die Befragten wissen in der Regel, was zu tun ist, setzen ihr Wissen aber nicht in die Tat um. Der Unverpackt-Laden in der Stadtmitte ist mit dem Auto schlecht zu erreichen – darum gehen sie lieber im Discounter einkaufen. Und dort kaufen sie in Plastik verpackte Tomaten ein, statt loses Gemüse in ein Netz zu legen – aus purer Gewohnheit.

Nachmach-Effekt

Dinge im Alltag zu ändern ist mit Anstrengung verbunden – der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In einer Studie aus den 1990iger Jahren konnte eindrucksvoll nachgewiesen werden, wann Menschen zu Veränderungen bereit sind: Sie entsorgten ihren Müll eher, wenn Nachbarn dies ebenfalls taten oder wenn ihre Umgebung eher sauber war. Der Nachahm- und Mitmacheffekt – das tun, was der Nachbar macht – scheint hier also eine Rolle zu spielen.

Wenn Menschen an ihrem Alltagsverhalten etwas verändern, hat das häufig aber auch mit dem Faktor Geld zu tun. Darum haben wir im Rahmen des Seminars eine Idee entwickelt, die das Geld als Handlungs-Motivator in den Fokus rückt: die Green Card. Diese Karte kann beim Einkaufen benutzt werden und funktioniert ähnlich wie eine Payback-Karte. In der Barcode-Kennung eines Produktes ist die Verpackungsart integriert (also Plastik- oder nachhaltige Verpackung), sodass an der Kasse eine Art Plastik-Bilanz angezeigt wird. Ein nachhaltiger Einkaufsstil soll dann eine positive Plastik-Bilanz und eine spürbare Vergünstigung beim Einkauf bringen.

Die persönliche Plastik-Bilanz

Die Vergünstigung könnte durch eine Plastiksteuer finanziert werden, die die Menschen zahlen, die in Plastik verpackte Lebensmittel kaufen. Nachhaltige Käufer könnten dadurch günstigere Bus- und Bahntickets erwerben. Mit der eingenommenen Steuer könnte man auch lokale Geschäfte unterstützen, etwa um einen kostenlosen Fahrrad-Lieferservice anzubieten. Die Ideen sind vielfältig und sollen Jeden ansprechen. Nach einem ersten Straßen-Test unseres Prototypen schlugen Nutzer sogar eine Art Strafe vor: für plastikfreie Produkte solle man Pluspunkte bekommen, für plastikverpackte Lebensmittel Minuspunkte.

Wie realistisch ist die Green Card?

Wie realisierbar dieser Ansatz wäre, ist allerdings offen. Das System würde sicher eine nicht vernachlässigbare Menge an finanziellen Mitteln brauchen – hier ist die Politik gefragt. Angefangen bei der Steuer auf Plastikartikel bis zu Subventionen für die Umsetzung. Das Punktesystem an sich wäre in der Umsetzung weniger problematisch, da jeder Artikel sowieso mit einem Barcode ausgezeichnet ist. Somit könnte man für jeden Artikel eine bestimmte Menge an Punkten (positive wie negative) eintragen.

Wie realisierbar die Green Card als Karte ist, bleibt offen. Ein optimaler Ansatz wäre, die Punkte in die EC-Karte der Nutzer zu integrieren. Dies erfordert jedoch eine Kooperation aller Banken. Ein recht utopischer Ansatz. Aber grundsätzlich finde ich die Green Card gut. Denn das eigene Budget scheint eine gute und sinnvolle Stellschraube zu sein, um Menschen zu einer Verhaltensänderung in Sachen Plastikmüll zu bewegen.

Text: Benjamin Kittelberger
Fotos: Sybille Kiefer und Gary Chan/unsplash
14.07.2019