Es ist warm, die Vögel zwitschern und die Bienen summen – ein perfekter Tag für einen spontanen Spaziergang! Aber macht ein solcher nicht auch hungrig? Schnell zur nächsten Imbissbude und dann gemütlich in den Botanischen Garten gesetzt.
Doch was ist das: um uns herum leere Pizzaschachteln und Nudelboxen. Wir waren nicht die einzigen mit der coolen Idee vom Picknick im Grünen. Warum ist es hier so dreckig, warum lassen die anderen ihren Müll überall liegen?

Tübingen – Zero Waste City?


Um der Sache auf den Grund zu gehen, besuchten wir das Uni-Seminar zum Thema „Tübingen – Zero Waste City?“. Unsere Aufgabe: Ein Angebot zu schaffen für mobile Menschen, die immer achtsamer mit unserer Umwelt umgehen. Nachdem wir eingehend diskutierten, was überhaupt ein „mobiler Mensch“ sei und wie achtsam wir denn wirklich mit unserer Umwelt umgehen, wollten wir hören, was unsere Zielgruppe darüber denkt. Also zogen wir los in die Altstadt und in den Botanischen Garten und interviewten sie.

All-In-One-Mülleimer und Tupperdosen

Zu unserem Erstaunen fanden wir heraus, dass die Tübinger bereits sehr bewusst mit ihrer Umwelt umgehen. Sie sagen aber gleichzeitig, dass es oft nicht möglich ist, die guten Vorsätze unterwegs auch umzusetzen. Woran hapert es?
Einige Menschen gaben an, dass es einfach zu wenig Mülltonnen in der Innenstadt gibt. Und selbst wenn man eine Mülltonne findet, kann man den Müll nicht richtig trennen. Und wenn man eigene Behältnisse zum Metzger oder in Cafés mitbringt und dort befüllen lässt, scheitert dieses Vorhaben an Hygiene-Richtlinien, die es den Betreibern angeblich nicht erlaubt, fremde Behälter hinter die Theke zu nehmen.

RECUP weitergedacht


Wir setzten uns also zusammen und sammelten Lösungsideen. Heraus kam ein Vorschlag, den wir rePlate nennen. RePlate ist keine neue Idee, sondern Erweiterung des bestehenden Pfandsystems RECUP. RECUP versucht, die Einweg-To-Go-Becher zu ersetzen, indem ich beim Bäcker oder im Café ein Getränk to-go im RECUP-Becher kaufen kann. Der ist aus 100 Prozent recycelbarem Kunststoff hergestellt und wird beim RECUP-Partner abgegeben, dort gewaschen und kommt zurück in den Becher-Kreislauf.

Was beim Kaffee geht, muss auch beim Essen unterwegs gehen, dachten wir uns. Wenn wir beim Bäcker ein belegtes Brötchen bestellen und ein süßes Stück, soll es statt der Papiertüte ein rePlate geben. Das ist eine Art Tupperdose aus 100 Prozent recycelbarem Kunststoff. Doch schnell bemerkten wir, dass wir die RECUP-Idee nicht einfach übernehmen und das Wort Becher mit dem Wort Tupperdose ersetzen konnten.

Schon das Pfandsystem mussten wir anders aufbauen. So überlegten wir uns ein Anmeldeverfahren für rePlate. Die Nutzer müssen sich über das Internet anmelden und hinterlegen dabei ihren Studierendenausweis oder ihre Bankkarte. Mit der Anmeldegebühr von zehn Euro kann man maximal drei rePlate-Boxen gleichzeitig ausleihen. Für jedes weitere Behältnis wird ein Pfand von zehn Euro fällig, das direkt von der Karte abgebucht wird.

Wohin mit der gebrauchten Box?

Auch das Rückgabesystem würden wir anders gestalten: Da für kleine Restaurants das Reinigen und Aufbewahren von rePlate-Boxen ein Zeit- und Platzproblem ist, haben wir die Rückgabe zentralisiert. In einer Stadt wie Tübingen würde es Rückgabeautomaten am Bahnhof, am Rathaus und an der Unibibliothek geben. So kann man die gebrauchte Box wieder in den Automaten werfen, wo sie später abgeholt, gewaschen und wieder an die Snackbars verteilt werden.

Auch der finanzielle Aspekt ist wichtig: Wir können keine fünf Euro Pfand dafür verlangen, sich einen spontanen Snack in einer Box zu kaufen. Weil aber die rePlate-Boxen in der Herstellung deutlich teurer wären als die RECUP-Becher, wären fünf Euro wirtschaftlich sicherlich notwendig.

Erste Tests und Modifizierung


Doch würden die Tübinger mitmachen? Um das herauszufinden, entwickelten wir einen szenischen Dialog (rePlate beim Bäcker) und führten ihn den Passanten vor. Anschließend fragten wir sie nach ihrer Meinung. „Ich sehe das Problem nicht beim Bäcker,“ war die erste Antwort, „sondern eher dort, wenn es um größere Gerichte geht. Pizza, Nudelboxen: da müsst ihr hin.“ Die erste Anpassung war schnell gemacht: aus der Bäckerei wurde der China-Imbiss. „Ich finde die Idee gut, aber ihr braucht auf jeden Fall Mahngebühren, falls jemand die Boxen zu lange behält“, hörten wir beim nächsten Interview. Auch diesen Tipp nahmen wir auf und beschlossen eine Mahngebühr von zehn Euro, ab dem zweiten Monat, wenn man drei rePlate-Boxen gleichzeitig ausgeliehen hat.

Von der dritten Person bekamen ebenfalls gutes Feedback: „Eine faltbare Box wäre cool, dann nimmt die nicht so viel Platz weg. Vielleicht sogar für eine Pizza.“ Doch halt: „Und was ist mit Besteck?“ Stimmt, daran hatten wir gar nicht gedacht. Vielleicht kann man dies im Deckel unterbringen.

rePlate 2.0

Wir hatten unser erstes Konzept erstellt, einen Prototyp als Dialog entwickelt, uns Feedback eingeholt und die Idee modifiziert. rePlate 2.0 war durchdachter, und wir waren zufrieden.
Stell dir vor, du bestellst Ente süß-sauer bei meinem Lieblingschinesen zum Mitnehmen und bekommst anstatt der Plastiktüte mit Styroporteller und Plastikgabel eine rePlate-Box aus 100 Prozent recycelbarem Kunststoff, mit Besteck (und alles made in Germany). Vorher noch online anmelden – und dann geht’s los.

Tolles Start-up – oder?


Jetzt müssen wir nur noch ein Start-Up gründen und das Ganze umsetzen – oder? Tatsächlich gibt es Start-ups, die mit ähnlichen Ideen arbeiten. Das „Tiffin-Projekt“ ist eins davon. Tiffin verkauft Boxen und Infomaterial an Restaurants. Pro Monat und Box zahlt das Restaurant 1,50 Euro an Tiffin. Den Prozess des Sammelns und Waschens muss das Restaurant jedoch selbst bewerkstelligen.

Waren wir also zu spät dran mit unserer Idee? Nun, wir denken, das Tiffin Projekt ließe sich verbessern. Denn die Restaurants sind beim Reinigen der Boxen auf sich allein gestellt, was dazu führt, dass nur wenige sehr engagierte Restaurants mitmachen. Zu umständlich ist der Betrieb für sie. Außerdem ist das Pfandsystem an sich nicht geklärt: Wie viel zahlt der Verbraucher? Ab wann muss er die Boxen zurückbringen? Und was passiert, wenn er dies nicht tut? Zu viele offene Fragen, die das Start-up nicht beantworten kann.

Unser Angebot hingegen ist für die Restaurants recht einfach umzusetzen. Die Kosten-Nutzen-Rechnung lohnt sich für Restaurant und den Kunden gleichermaßen – eine Win-Win-Situation für beide. Also jetzt doch gleich anfangen mit rePlate als Start-Up?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn wir glauben: rePlate kann nur mit Subventionen überleben. Der Staat müsste es als Non-Profit-Organisation fördern. Deshalb ist unsere These, dass die Verhaltensänderung des Einzelnen einen starken Anstoß aus der Politik braucht. Es muss eine Lösung her, die es Wirtschaft und Einzelpersonen so bequem wie möglich in der Umsetzung macht. Und da sehen wir zwei Wege: Entweder mit staatlicher Finanzierung solcher Pfandsysteme wie rePlate oder durch Gesetzesänderungen, wie sie bei der EU-Richtlinie3 zu Plastikmüll jetzt endlich angestoßen werden.

Text: Björn Plähn, Tobias Köninger
Fotos: Björn Plähn, Tobias Köninger, Nicola Wettmarshausen
16.07.2019